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Wie sich ein Sanitärgerät zum Lifestyle-Produkt wandelt

Dusch-WCs reinigen den Po sanft mit warmem Wasser. Das ist gesünder, hygienischer und angenehmer als das Wischen mit Papier. Die Japaner haben das längst erkannt: Über 75 Prozent der Privathaushalte sind mit den Komforttoiletten ausgestattet. In Deutschland verbreitet sich die neue Hygienemethode jedoch zögernd. Wer das Dusch-WC kennt, hält es meist für eine japanische Erfindung. Dabei wurde die Toilette mit Duschfunktion in der Schweiz erfunden und stetig weiterentwickelt. Im Laufe der Jahre vollzog das Dusch-WC einen Wandel vom rein funktionellen Sanitärgerät zum Lifestyle-Produkt mit Designanspruch.

Eine neue Hygienekultur in der Schweiz einzuführen – das war das erklärte Ziel des Konstrukteurs Hans Maurer aus Zollikerberg bei Zürich. Innerhalb von zwei Jahren entwickelt er das weltweit erste Dusch-WC. 1957 meldet er die Toilette zum Patent an. Abnehmer findet er vor allem im Care-Bereich. Den großen Durchbruch in die breite Masse schafft er nicht. Auch die Ausweitung des Vertriebs nach Deutschland und in andere Länder steigert den Absatz kaum: Im Jahr 2000, gut 40 Jahre nach der Markteinführung hat Maurers Firma Closomat rund 120.000 Dusch-WCs verkauft. Immer wieder stößt das Dusch-WC an ein großes kulturelles Tabu: Über Intimhygiene spricht man nicht.


Dusch-WC siegt in Japan und dümpelt in Deutschland

Bewegung kommt in das Dusch-WC-Geschäft als Maurers Patent nach 20 Jahren abläuft. Ein weiteres Schweizer Unternehmen, der Sanitärtechnik-Hersteller Geberit aus Rapperswil-Jona, entwickelt eigene Modelle und bringt bereits 1978 den Dusch-WC-Aufsatz „Geberella“ und im Folgejahr die Komplettanlage „Geberit-o-Mat“ auf den Markt. Zeitgleich mit Geberit nutzen japanische Unternehmen den Ablauf des Patents. 1980 kommt die erste japanische Eigenentwicklung heraus und tritt fast unmittelbar den Siegeszug in Japans Privathaushalte an. Nur zwei Jahre später tummeln sich bereits rund 20 Anbieter auf dem japanischen Markt. In Deutschland hingegen geht es nur schleppend voran, obwohl Geberit hier bereits Marktführer in Sanitärtechnik ist und als Qualitätsmarke Bekanntheit hat.

Ein echtes Lifestyle-Produkt: Das neueste Dusch-WC von Geberit wurde von Designer Christoph Behling gestaltet. AquaClean Mera vereint die Po-Reinigung mit Wasser und weitere Komfort-Funktionen mit einer schönen Form.Quelle: Ansel & Möllers GmbH
Ein echtes Lifestyle-Produkt: Das neueste Dusch-WC von Geberit wurde von Designer Christoph Behling gestaltet. AquaClean Mera vereint die Po-Reinigung mit Wasser und weitere Komfort-Funktionen mit einer schönen Form.Quelle: Ansel & Möllers GmbH

Beheizte Sitze verhelfen zum Durchbruch

Geberit und Closomat verkaufen zwar stetig weitere Modelle, doch zum großen Hygienewandel in Europa kommt es trotz des jahrelangen Einsatzes von Schweizer Ingenieurskunst noch nicht. Woran liegt das? Martin Baumüller, Leiter des Dusch-WC-Geschäfts bei Geberit: „Die Japaner haben traditionell sehr hohe Hygieneansprüche und ein relativ unverkrampftes Verhältnis zur Toilette, was die Einführung des Dusch-WCs enorm begünstigt hat.“ Ein weiterer Vorteil des japanischen Markts sind laut Baumüller die Voraussetzungen für die Montage: „In japanischen Wohnhäusern gibt es in den separaten WC-Räumen typischerweise keine Heizung, wodurch es im Winter sehr kalt wird. Beheizte Toilettensitze sind deshalb früh zum Standard geworden. Das

heißt: Es gibt einen Elektroanschluss am WC, den man für die Warmwasserbereitung der Duschfunktion nutzen kann.“ In Deutschland und in der Schweiz muss dieser Elektroanschluss extra verlegt werden.

Ein weiteres Plus des japanischen Marktes ist die Form der Toiletten. Martin Baumüller dazu: „Im Gegensatz zu europäischen WCs sind die Toiletten in Japan seit jeher relativ standardisiert. Daher konnten Dusch-WC-Aufsätze einfach und kostengünstig nachgerüstet werden, ohne dass die Keramik neu installiert werden musste.“

Kulturwandel auf der Toilette: Ein Dusch-WC reinigt den Intimbereich auf Knopfdruck sanft mit einem körperwarmen Duschstrahl. Auf Toilettenpapier kann verzichtet werden. Quelle: Ansel & Möllers GmbH
Kulturwandel auf der Toilette: Ein Dusch-WC reinigt den Intimbereich auf Knopfdruck sanft mit einem körperwarmen Duschstrahl. Auf Toilettenpapier kann verzichtet werden. Quelle: Ansel & Möllers GmbH

Die Po-Reinigung mit Wasser wird zum Lifestyle-Thema

In den 80er und 90er Jahren bleibt das Dusch-WC in Deutschland und der Schweiz ein Nischenprodukt. Ein erster Meilenstein auf dem Weg in den breiten Markt ist 2003/2004 die Einführung der WC-Komplettanlage „Balena 8000 UP“ von Geberit, die sich an Unterputz-Spülkästen andocken lässt. Das Dusch-WC integriert sich nun nahtlos in die Badgestaltung: Die notwendigen Wasser- und Elektroanschlüsse verschwinden in der Wand. Damit sind die Weichen neu gestellt: Ab 2009 positioniert Geberit seine neue Produktlinie AquaClean im Lifestyle- und Wellnessbereich. Mit aufwändig gestalteten Kampagnen und TV-Werbung rührt Geberit in Deutschland und anderen europäischen Ländern die Werbetrommel.

Vom Dusch-WC zur eleganten Komfort-Toilette

Seit einigen Jahren drängen weitere Anbieter in den neu geschaffenen Markt. Ein Trend, der Hemmschwellen abbauen soll, ist bei neuen Modellen deutlich zu erkennen: Die Toiletten sind intuitiv bedienbar und ähneln äußerlich einem herkömmlichen WC. Dusch-WC-Pionier Geberit setzt hier weiterhin technologische und gestalterische Maßstäbe. Sein neuestes Modell AquaClean Mera, das ab September 2015 zum Verkauf steht, vereint Funktionen, die das Begehren möglichst vieler Deutscher wecken sollen – mit Duschfunktion und Föhn, Geruchsabsaugung und beheiztem Sitz ebenso wie mit einem farbigen Orientierungslicht und einer geradlinigen Form. Dazu passt auch die Wahl des Designers: Christoph Behling ist für die Gestaltung von Luxusprodukten bekannt, vor allem durch seine Position als Chefdesigner beim Schweizer Uhrenhersteller TAG Heuer. So ist auch seine Toilette ein gestalterisches Kleinod. An die Sanitärgeräte von einst erinnert nur noch die Funktion und das gute Gefühl nach der Reinigung mit Wasser.

Quelle: Ansel & Möllers GmbH

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