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Statik im Bestand: Herausforderungen bei Umbau und Sanierung

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Beim Bauen im Bestand treffen kreative Visionen häufig auf physikalische Grenzen. Anders als im Neubau ist die Tragwerksplanung bei der Sanierung oder dem Umbau bestehender Gebäude oft mit besonderen Herausforderungen verbunden. Alte Bausubstanz, unvollständige Bestandsunterlagen und veränderte Nutzungsanforderungen verlangen von Statikern ein hohes Maß an Fachwissen, Sorgfalt und Flexibilität.

Unbekannte Konstruktionen und fehlende Dokumentation

Eines der größten Probleme bei Bestandsbauten ist der Mangel an verlässlichen Bauunterlagen. Häufig fehlen statische Nachweise, Bauzeichnungen oder Materialangaben vollständig – insbesondere bei Gebäuden, die vor den 1970er-Jahren errichtet wurden. Statiker müssen dann vor Ort durch Sichtprüfungen, Bauteilöffnungen oder Messverfahren (z. B. Ferroscan, Ultraschall oder Kernbohrungen) Informationen über tragende Elemente sammeln.

Diese Unsicherheiten machen eine fundierte Beurteilung der Tragfähigkeit deutlich komplexer als im Neubau – und erfordern Erfahrung im Umgang mit historischen Bauweisen und Materialien wie Holz, Naturstein, Mauerwerk oder frühen Betonformen.

Veränderung der Lastverhältnisse

Ein Umbau bedeutet fast immer auch eine Veränderung der Lastverhältnisse: Wände werden entfernt, neue Öffnungen geschaffen, zusätzliche Stockwerke oder Dachaufbauten geplant. Solche Eingriffe können das statische Gleichgewicht des gesamten Gebäudes gefährden. Ein häufig unterschätzter Aspekt ist die sogenannte „Lastumlagerung“ – das heißt, dass Kräfte durch bauliche Veränderungen plötzlich an anderer Stelle wirken und dort Bauteile überlasten können.

Die Herausforderung für den Statiker besteht darin, die neuen Lastpfade korrekt zu analysieren und mit geeigneten Maßnahmen (z. B. Unterzüge, Stützen oder Verstärkungen) die Standsicherheit wiederherzustellen – ohne dabei den Charakter oder die Nutzbarkeit des Gebäudes unnötig einzuschränken.

Tragwerksverstärkung: Tradition trifft Innovation

Nicht selten erfordert die Bestandssanierung gezielte Verstärkungen von Decken, Wänden oder Fundamenten. Dabei kommen je nach baulicher Situation sowohl klassische Methoden (z. B. Unterfangungen, Stahlträger) als auch moderne Verfahren wie CFK-Lamellen oder Spritzbeton zum Einsatz. Der große Vorteil moderner Techniken liegt in ihrer hohen Leistungsfähigkeit bei minimalem Eingriff – was insbesondere im bewohnten Bestand ein klarer Vorteil ist.

Gleichzeitig müssen diese Maßnahmen mit der Denkmalpflege, dem Brandschutz und der Bauphysik abgestimmt werden – eine interdisziplinäre Aufgabe, die ein gutes Zusammenspiel aller Planungsbeteiligten erfordert.

Bauphysik und Normen im Wandel

Ein weiteres Problemfeld ist die Anpassung bestehender Gebäude an aktuelle Normen und Bauvorschriften. Gerade bei Umbauten müssen neue Standards bezüglich Erdbebensicherheit, Brandschutz, Wärmedämmung oder Schallschutz berücksichtigt werden – obwohl das ursprüngliche Tragwerk dafür nie ausgelegt war.

Besonders heikel wird es, wenn Nutzungsänderungen geplant sind – etwa die Umwandlung eines Lagergebäudes in Wohnraum. Dann greifen andere rechtliche Vorgaben, und die statische Leistungsfähigkeit muss häufig neu bewertet oder aufwendig angepasst werden.

Mehr als reine Mathematik

Die Statik im Bestand erfordert weit mehr als das Rechnen mit Normwerten. Es geht um das Verständnis historischer Bauweisen, das Erkennen von Risiken, das Entwickeln maßgeschneiderter Lösungen – und oft auch um kreative Kompromisse zwischen Sicherheit, Wirtschaftlichkeit und Erhaltenswert.

Für Planer, Bauherren und ausführende Firmen bedeutet das: Die frühzeitige Einbindung eines erfahrenen Tragwerksplaners ist der Schlüssel für einen erfolgreichen und sicheren Umbau im Bestand.

Quelle: ARKM Redaktion

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